Interview Die Rebenflüsterer
Man kann sich fragen, ob es nicht selbstverständlich ist, dass zwei Buben, die auf einem Weingut aufwachsen, den Winzerberuf ergreifen. Natürlich haben die beiden Brüder Manfred und Robert Aufricht von frühester Kindheit an alles mitbekommen, aber die Motivation für den Weinbau lag zu Anfang nicht nur am Wein.
Manfred Aufricht spricht von der Freude, die mit dem Beruf des Winzers einher geht und die sich früh auf ihn übertragen hat. Auf seinem Schulweg nach Hagnau traf er oft auf Weinbauern, mit denen er sich unterhielt. Ihm gefiel die gute Laune der Winzer – und als Bub das Fahren mit den kleinen Weinbergs-Traktoren! Als Jugendlicher wollte er sich ein Moped verdienen und fand eine Arbeit als Ferienaushilfe in einer Weinhandlung in Meersburg. Der Ladenbesitzer merkte schnell, dass der Junge sich auskannte, so durfte er in den Verkauf und die Kunden beraten. Das gab eine Bestätigung und Selbstbewusstsein, die klar machte, dass ein neuer Winzer herangewachsen war. Dazu machte es der Ort den Brüdern leicht, dort zu bleiben, wo sie aufgewachsen waren. Manfred und Robert Aufricht lieben die Besonderheiten des Standortes und sind froh, dass sich kein Gewerbegebiet durch die Weinberge zieht, sondern dass mit dem Landschaftsschutzgebiet um das Weingut herum ein wirklich außergewöhnlicher Ort wachsen konnte.
Vom Vater Josef Aufricht konnte man viel lernen, aber Erfahrungen mussten die Brüder selbst machen. Vor 30 Jahren wollten sie unbedingt Pinot-Setzlinge aus der Grand-Cru Kategorie im Burgund haben. Manfred Aufricht erzählt, sie hätten dort im jugendlichen Leichtsinn angerufen und wollten 2000 Setzlinge bestellen. Dort bekamen sie aber nur gesagt, dass man nicht nach Deutschland verkaufen würde. Deshalb wählten sie den Weg über die Schweiz, wo ein Rebschulist die französischen Knospen auf die Schweizer Unterlagsrebe pfropfte. Nach einem Jahr konnten sie die Reben abholen und der Verkäufer kündigte an, er würde mal vorbei kommen in Stetten, um die Reben zu besuchen. Das tat er tatsächlich nach ein paar Jahren an einem Samstag, zusammen mit der ganzen Familie. Er wollte sich vergewissern, dass es „seinen Reben“ auch gut geht. Nachdem er diese begutachtet hatte, mochte er den Wein probieren. Alle gingen zum Opa ins Haus und setzten sich um den großen Tisch. Der Schweizer Gast beobachtete konzentriert den Wein im Glas, probierte ihn dann ganz in Ruhe und sprach für eine Weile kein einziges Wort. Alle blickten ihn erwartungsvoll an. Er sagte: „Sie haben einen ausgezeichneten Wein, das ist aber auch nicht weiter verwunderlich, denn er schaut auch auf die wunderschöne Schweiz hinüber.“ Jeder von uns hatte ein Urteil über den Geschmack oder die Sensorik erwartet und wir mussten schmunzeln über diese eidgenössische Bemerkung, so Manfred Aufricht.
„Jede Generation muss dazu beitragen, dass die nächste wieder eine Basis hat.“
Manfred Aufricht
Die Brüder lernten früh, dass man im Weinbau Zeit braucht! Wenn heute eine Rebe gepflanzt wird, dauert es fünf Jahre bis es ein guter Wein wird, zehn bis es einen Spitzenwein gibt. Und viele Faktoren spielen eine Rolle. Robert Aufricht sagt, man habe das Wetter nicht immer zum Freund. Zum Glück seien sie in den letzten Jahren von starken Unwettern verschont geblieben. Doch gleicht kein Jahr dem anderen. Er erzählt, dass es einmal sehr früh kalt gewesen sei und als sie Ende Oktober den Spätburgunder ausgedünnt haben, trugen sie Handschuhe. Die Trauben, die normalerweise ein tiefes Rot aufweisen, hatten sich bis dahin nur Ziegelrot verfärbt, so dass vorbei kommende Spaziergänger meinten, es würde Weißherbst gelesen werden. Das Unerwartete ist ein Teil des Winzerberufes, aber Manfred und Robert Aufricht sind auch in diesem Jahr sehr zufrieden mit dem, was aus ihrer Arbeit geworden ist: „Es erfüllt einen mit Glück, wenn man sieht, dass die Arbeit gut gelaufen ist.“ Und daran freut sich auch die nächste Generation, die dem Winzerberuf mit ihren eigenen Wünschen und Ideen begegnen wird.