Kolumne Ein Lob der Sortenvielfalt

Das Leben wäre arm mit nur einem Weißwein
Manfred Aufricht über Sortenvielfalt im Weinbau

Wir badischen Winzer sind in der glücklichen Lage, mehreren Weinsorten Heimat bieten zu können. Nicht umsonst finden sich bei uns im Süden auch die meisten Spitzenrestaurants, da es auf der kulinarischen Ebene eine große Vielfalt gibt.

Vergleicht man unsere Weinbauregion beispielsweise mit dem der Loire in Frankreich, so fällt auf, dass der Sortenanbau dort recht einseitig ist. In diesem Fall beschränkt man sich fast ausschließlich auf den Sancerre, einen Sauvignon Blanc, der auch die größte Rolle in der dortigen Öffentlichkeitsarbeit spielt. Ohne Frage ist er ein sehr guter Wein, aber wir freuen uns über die Abwechslung im Weinbau, sie bringt eine große Bereicherung mit sich und damit einen Pluralismus im kulinarischen Bereich. Dass wir die Möglichkeit haben, mehrere Sorten anzubauen, hängt zum einen von den natürlichen Gegebenheiten ab, zum anderen hat in den letzten Jahren ein starkes Umdenken auf der Entscheider-Ebene stattgefunden. Wir haben uns vor 25 Jahren als erster Bodenseewinzer getraut, den Sauvignon Blanc anzubauen. Zu der Zeit gab es noch strenge Reglementierungen, es war ganz genau festgelegt, was an welchem Standort angebaut werden durfte. Da war viel Überzeugungsarbeit notwendig bei den Ämtern. Die Ironie des Schicksals wollte es, dass man irgendwann herausgefunden hat, dass es den Sauvignon Blanc bereits im Mittelalter in der Bodenseeregion gab. Damals hieß er Muskat-Silvaner, es handelt sich jedoch um die gleiche Sorte. Unser Großvater hat seinerzeit mit zwei Rebsorten im Betrieb angefangen, mit einem Spätburgunder und dem Elbling. Der Elbling war die einzige weiße Sorte, die damals zur Verfügung stand. Von ihr vermutet man, dass sie von den Römern mitgebracht wurde. Heute wird sie noch selten angebaut, da sie  nicht mehr den gängigen Qualitätskriterien entspricht. Früher schätzte man ihn, weil es ein sehr leichter Wein ist, der zudem große Erträge bringt. Anhand des Elblings kann man sehen, dass Wein nicht nur ein traditionelles Genussmittel ist, sondern auch mit der Mode geht. Die Trends lassen sich oft vom Zeitgeschehen ableiten. Nach den entbehrungsreichen Jahren des Zweiten Weltkrieges, waren in den 50ern opulente, süße Weine beliebt. Auch die Autos mit ausladenden Heckflossen und protzigen Chromkühlern kamen gleichermaßen üppig und ausladend daher, die Sehnsucht der Menschen nach Fülle war groß.

Unser natürliches Verlangen ist es, auf unserem Weingut keinen Trends nachzurennen. Wir halten den Traditionssorten Auxerrois, Spätburgunder und Gutedel die Treue, die in unserer Region seit dem Mittelalter angebaut werden. Sie waren hier traditionell etabliert, es sind „naturgegebene“ Sorten, die optimal an die Klimaregion angepasst sind. Das muss man einfach akzeptieren, dass nicht jede Sorte für alle Gebiete geeignet ist. Wichtig ist die natürliche genetische Vielfalt innerhalb der Sorten. Beim Pinot Noir gibt es beispielsweise natürliche Varianten, die dem Winzer wieder neue Möglichkeiten an die Hand geben. Wir legen großen Wert darauf, alte Sorten zu erhalten, wie den blauen Frühburgunder. Er hat eine vergleichsweise kleine Anbaufläche in der Gesamtsumme in Deutschland, so dass man den Anbau dieses Weines auch als weinbaulichen Denkmalschutz sehen kann. Den Genpool einer so wunderbaren Sorte darf man einfach nicht verlieren. Wir arbeiten mit verschiedenen Rebschulen zusammen, da auch hier die Vorlieben unterschiedlich sind. Man darf kein Rebsorten-Fetischist werden, die Sortenvielfalt muss man zulassen, denn jedes Maß an Andersartigkeit ist schätzens- und schützenswert und eine große Bereicherung für unser Weinleben.