Kolumne Ein trinkbares Kulturgut

Der Weinberg erwacht im Frühling erneut zum Leben. Eine Zeit, um innezuhalten und über den Weinbau nachzudenken. Für Manfred Aufricht steht sein Wein nicht nur für Genuss, sondern ist vielmehr Teil der regionalen Kulturgeschichte.

Durch die Weinberge zu streifen, ist auch für uns Winzer immer wieder aufs Neue ein Erlebnis. Gerade im Frühling muss man nur mit offenen Augen an den Rebstöcken entlang laufen, um ein breites Spektrum an Sinneseindrücken zu bekommen. Auch die alten Marksteine zeigen sich um diese Jahreszeit noch deutlich zwischen den Reben und erzählen Geschichten vergangener Zeiten. Die Reb-tränen, die aus den geschnittenen Weinreben hervor treten, glitzern wie Perlen in der Morgensonne. Und je nach Rebsorte wechseln sich kaum sichtbare mit gerade geöffneten Knospen mit zarten Blättern ab.

Obwohl die Tage im Frühling ereignisreich für die Pflanzen sind, ist es für uns eine manchmal schon fast meditative Zeit, wenn wir mit dem Anbinden der Weinreben und mit dem Pflanzen neuer Sorten beschäftigt sind. Die Weinproduktion hat sich im Laufe der Zeit stark verändert, aber die Handgriffe des Winzers sind seit Jahrhunderten unverändert geblieben. Der handwerkliche Charakter lässt die Individualität der verschiedenen Weingüter hervortreten: „Wein ist nach wie vor keine standardisierte Ware, das Handwerk des einzelnen Weinbauers scheint durch.“ 
Kulturgeschichtlich gesehen ist der Wein Symbol für Wandlung und Leben. Es kann kaum deutlicher werden, als jetzt im Frühjahr. Die Weinrebe ist eine der ältesten Pflanzen der Welt. Und der Wein, ein altes, aber sehr lebendiges Kulturgut, verbindet uns seit jeher eng mit der Geschichte der Menschheit. Der Weinbau selbst steckt voller Geschichten und Erlebnisse. Und die so oft beschworene Wahrheit, die im Wein liegt, ist eine Wahrheit, die auf eine Jahrtausende alte Geschichte zurückblicken kann. Geschichte und Geschichten müssen entdeckt, weitergetragen und auch erhalten werden. 

Der Burgunder beispielsweise wurde am Bodensee schon vor mehr als 1000 Jahren gepflanzt und es ehrt uns, dass wir für unsere Spätburgunder zwei große Preise entgegen nehmen durften: die Goldmedaille beim AWC Vienna 2014 und Großes Gold für „Bester Spätburgunder Deutschlands 2015“ durch die international hoch angesehene MUNDUS VINI Frühjahrsverkostung. Solche renommierten Preise haben nicht nur Auswirkungen auf unser Weingut, sondern auf die gesamte Tourismusregion. Und sie stehen auch für eine Kontinuität. Kultur und Genuss sind eng miteinander verbunden am Bodensee, so macht es uns glücklich, mit unserem Weingut und unseren Weinen einen Beitrag zu etwas Größerem leisten zu können. Mit unseren Kindern wird eine alte Tradition fortgesetzt. Sie haben früh ihr Interesse am Weinbau entdeckt und werden mit ihrer Arbeit diesen außergewöhnlichen Ort auch in Zukunft zu einem Ort des Genusses und zum Teil der regionalen Kulturgeschichte werden lassen.