Kolumne Josef Aufricht – ein Nachruf
Im Oktober diesen Jahres hat er dann aber gemerkt, dass es Zeit für ihn wird zum Gehen. Das tat er an einem Tag wie er ihn liebte: die Natur präsentierte sich im üppig bunten Farbenkleid, wir waren mitten in der Weinernte und es war sehr sonnig. Eine gute Zeit, um Abschied zu nehmen!
Josef Aufricht war in der Batschka als wohlhabender Bauernsohn aufgewachsen. Dank seiner schulischen Laufbahn kam der Gymnasiast in den 30er Jahren als Austauschschüler ins Sudetenland. Diese Zeit prägte ihn genauso stark wie die schwierigen Jahre als Soldat im Zweiten Weltkrieg. Nach dem Krieg musst der vormals reiche Bauernsohn wieder bei Null anfangen. Geblieben waren ihm sein Wissen, seine Ausdauer und der Wille etwas zu schaffen. Auf Rat seines Onkels hin, ging er nach Kriegsende an den Bodensee, weil dort alles gut wachsen würde. Wenn auch er in den ersten Jahren in der Produktion im Porsche Traktorenwerk in Manzell bei Friedrichshafen arbeitete, ging er immer seinen Weg, wohl wissend: „Was man will, kann man besser“ – das verstand er später auch im Hinblick auf die Gründung des Weingutes Aufricht. Da er aufgeschlossen war für andere Anbauweisen, suchte er früh nach Innovationen und setzte neue Maßstäbe, indem er verstärkt Säulenobst pflanzte. Diese Vorreiterfunktion im Obstbau fand große Beachtung, so dass unser Vater 1963 vom Minister Kiesinger die Staatsmedaille in Gold für „hervorragende Leistungen“ im Obstbau verliehen bekam. Bauern aus ganz Europa kamen zu ihm, um von seiner Art des Anbaus zu lernen.
Josef Aufricht war ein Familienmensch und glücklich darüber, dass seine beiden Söhne das Weingut übernahmen und nun auch zwei seiner Enkelkinder ebenfalls den Winzerberuf lernen. „Man muss sich Zeit lassen im Weinberg“ sagte Josef Aufricht immer, denn er wusste, dass man behutsam umgehen muss mit dem, was gepflanzt wurde. Geduld braucht es, um einen guten Wein zu produzieren und Geduld braucht es auch in vielen anderen Lebenslagen. Wenn wir heute sein langes, arbeitsreiches Leben betrachten, könnte man sagen, er hat sich Zeit gelassen und dabei Wunderbares geschaffen. Wir blicken nach draußen und wissen, dass unser Vater und Großvater großen Anteil hat an dem, was wir sehen. Und wir wissen somit auch, dass es kein wirklicher Abschied ist, denn es gibt so Vieles von ihm, das bleibt.